Veto der SPD-Fraktionsspitze: Ampel vertagt finale Beschlussfassung zum Cannabisgesetz auf 2024
Noch am Montag hatte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses angekündigt: Die Entkriminalisierung von Cannabis werde im Dezember im Bundestag final verabschiedet. Daraus wird nun nichts. Die SPD-Fraktionsspitze ist dagegen.
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Netz: Der in der SPD-Bundestagsfraktion für das Thema Cannabis zuständige Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut MdB verkündete am Wochenende über Social-Media, dass die eigentlich für die letzte Sitzungswoche des Jahres geplante finale Lesung des Cannabisgesetzes (CanG) nicht zustande komme. Der Grund: Die Spitze seiner SPD-Fraktion habe Bedenken gegen die Aufsetzung geltend gemacht. Diese, so erklärte der bekennende Legalisierungsfreund per Videobeitrag, könne er zwar nicht nachvollziehen, die Aufsetzung werde aber nun ins nächste Jahr vertagt. Weitere Einzelheiten wollte Heidenblut nicht verraten.
Das kurzfristige Veto der SPD-Fraktion gegen die finale Beschlussfassung überraschte indes nicht nur die sog. Cannabis-Community, sondern auch die Koalitionspartner. So reagierte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages, Dr. Kristine Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) enttäuscht: "Es ist außerordentlich bedauerlich, dass Cannabis bisher nicht auf der Tagesordnung steht. Eine Aufsetzung wäre möglich gewesen", schrieb die Abgeordnete auf X (vormals Twitter).
Kappert-Gonther hatte vergangenen Montag angekündigt, dass die Ampel das Gesetz noch im Dezember beschließen werde, nachdem man sich mit dem federführenden Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Minister Karl Lauterbach (SPD) über Änderungen am ursprünglichen Regierungsentwurf geeinigt hatte.
Ursache für SPD-Bremsmanöver unklar
Worin die Bedenken in der SPD bestehen, wollte die für Cannabis in der SPD-Fraktion zuständige Rechtspolitikerin Carmen Wegge nicht verraten: "Wenden Sie sich hierzu am besten direkt an die Fraktionsspitze, sie kann Ihnen die Frage beantworten." Doch auch die "Fraktionsspitze" schweigt bzw. spricht in Allgemeinplätzen. Eine Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion erklärte: "Das im Koalitionsvertrag verabredete Cannabis-Gesetz befindet sich auf der Zielgeraden. Wir sind zuversichtlich, das Gesetz im neuen Jahr im Bundestag zeitnah zu verabschieden. Damit wird der Weg frei für mehr Gesundheitsschutz in der Cannabispolitik."
Unklar bleibt damit auch, ob die SPD-Fraktionsspitze mit dem Gesetz inhaltlich ein Problem hat oder ob ihr nur der Zeitpunkt der Verabschiedung in Zeiten der Haushaltskrise kurz vor Weihnachten unpassend erscheint. Und "Zuversicht" der SPD-Pressesprecherin hin oder her: Nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Gesetz "auf der Zielgeraden" vielleicht auch noch komplett gestoppt wird.
Das aktuelle Bremsmanöver der SPD-Fraktion passt im Grunde zum bisherigen Werdegang des Gesetzes. So ist das Ampel-Vorhaben "Cannabis-Legalisierung" seit Anfang an von beispiellos inhaltlichen Fehleinschätzungen, Streit innerhalb der Bundesregierung und reihenweise Verzögerungen geprägt: Eckpunktepapiere mussten nachgebessert werden, das Vorhaben wurde auf zwei Säulen verteilt, schon die erste Lesung des Säule-1-Gesetzes wurde im Oktober - angeblich - wegen des Angriffs der Hamas auf Israel vertagt und eine ursprünglich für November geplante finale Beschlussfassung scheiterte aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Fraktionen und BMG.
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Dass die SPD-Fraktionsspitze jetzt die finale Cannabis-Abstimmung für dieses Jahr abgesagt hat, stieß auch in Teilen der Opposition auf Kritik. "Es ist politisch so dumm, dass die SPD-Führung das Cannabis-Gesetz aufhält", empörte sich der stellvertretende Parteivorsitzende und drogenpolitische Sprecher der Linken Ates Gürpinar auf X. "Sie beugt sich dem Kulturkampf der Rechten einmal mehr - und macht sie damit größer. Das Rumgeiere bei der Legalisierung hält das Thema von rechts am Kochen. Ziehts halt durch, verdammt nochmal", so der Abgeordnete.
Versprechen aus Koalitionsvertrag längst gebrochen
Längst steht fest: Die noch im Koalitionsvertrag vereinbarte Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften, wird es in dieser Wahlperiode ohnehin nicht mehr geben. Grund dafür ist, dass dem federführenden Bundesgesundheitsminister erst sehr spät auffiel, dass der geplante staatliche Handel gegen internationale Abkommen und vor allem gegen Europarecht verstoßen könnte.
Das insoweit noch ausstehende Säule-2-Gesetz sieht daher nur regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor und soll voraussichtlich der EU-Kommission noch zur Prüfung vorgelegt werden. Eigentlich hatte Lauterbach das Gesetz für "nach der Sommerpause" angekündigt. Im Dezember 2023 existiert hierzu jedoch noch nicht einmal ein Eckpunktepapier.
SPD bei der BTW 21 strategisch zu wählen war leider gar nicht so dumm, hab's selbst nicht gemacht aber es nachvollziehen können. Leider wird für ihre Fehler, und die Fehler der FDP, jetzt der gesamte mittellinke Flügel aufkommen. Ist ein einfacher Sündenbock.
Tja wenn die Parteispitze nicht die Kapitulation der Ukraine fordern würde (ob "privat" macht hierbei keinen Unterschied, wenn es quasi eine Ein-Mann-Partei ist), wäre ich auch Mitglied geblieben.
Und mal wieder genial kommuniziert. Mit der aktuellen Haushaltsthematik hätte man ein gutes Argument für die Verschiebung gehabt, unabhängig von den tatsächlichen Intentionen. So wird das ganze wieder nur als eine unfähige Ampel wahrgenommen, die ihre Versprechen nicht einhält. Und jungen Wählerinnen und Wählern wird gezeigt, dass ihre Interessen in dieser Republik eh nichts mehr bedeuten.
Die Zustimmung ist zumindest bei Jüngeren (und deren Eltern 50-64 Jahre) deutlich höher. Und auch in den anderen Altersgruppen gehe ich stark davon aus, dass es nur wenige gibt, die bei einer Legalisierung sehr aktiv dagegen sind und sich davon in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen ließen.
Warum bin ich nicht überrascht? Irgendwie klingt das ganze Vorhaben zu gut um wirklich wahr zu sein. Ich glaube es erst wenn die Leute anfangen offen mit Joints rumzulaufen
War irgendwie schon klar. Wahlversprechen für Wählerstimmen sind immer Lügen. Warum sollten unsere Politiker beim Thema Cannabis nicht auf einmal Beruflügner sein?
Alles nur Spekulationen meinerseits aber ich könnte mir schon vorstellen dass die SPD versucht die FDP und Grüne länger damit in der Koalition zu halten d.h. wahrscheinlich ist es ein taktisches Manöver der SPD Fraktion. Die Legalisierung war für Grüne und FDP ja durchaus ein wichtiges Wahlversprechen … wenn die Koalition jetzt vor Ende des Jahres zusammenbrechen würde, könnte das Wahlversprechen ja definitiv nicht mehr umgesetzt werden und die dann neu gewählte nächste Regierung (GroKo) wird es sicherlich nicht umsetzen.
Ich glaube da gibt es sehr viel wichtigere Themen. Ich denke z.B. den Grünen ist das Klima wichtiger als die Canabislegalisierung und die FDP muss sich bei der nächsten Bundestagswahl echt sorgen über die 5% machen. Aber klar, nur die Canabislegalisierung hält die Ampel zusammen... Das war kein wichtiges Wahlversprechen, das war ein Wahlgeschenk.
Es wurde auf jeden Fall durch „irgendwen“ in den Koalitionsvertrag verhandelt. Dem entsprechend muss es mindestens einer der Parteien wichtig genug gewesen sein.
Dass die Regierung auseinander bricht, höre ich eigentlich immer nur aus CDU-Propagandakreisen. Real dürfte die Wahrscheinlichkeit dafür sehr niedrig sein.