Beheimatung ist der Grund, warum Menschen die rechtsextreme AfD wählen - und warum beides als Antwort darauf scheitert: der rechtspopulistische Kulturkampf der Union, aber auch der Versuch, mit Fakten und Aufklärung zu kontern, schreibt Dr. Daniel Mullis.
Gastbeitrag von Dr. Daniel Mullis
Verunsicherung und Unruhe sind Folge der Krisen der letzten fünfzehn Jahren. Die Zukunft ist ins Wanken geraten und die Menschen suchen nach Halt in haltlosen Zeiten. Sie finden ihn in der imaginierten Normalität der vergangenen Aufstiegsgesellschaft. Es ist eine Vergangenheit ohne lästige Klimakrise und Transformationsdruck, sie ist homogener und klarer strukturiert. Das ist es, was die AfD mit ihrem Kulturkampf, mit ihrem Versprechen „Deutschland. Aber normal!“ politisiert und mit dem sie Menschen emotional beheimatet. Damit bindet sie Menschen über politische Grenzen hinweg an sich, und das ist auch der Grund, warum beides, der Kulturkampf der Unionsparteien und die Hoffnung, dem Aufstieg der Rechten mit Aufklärung zu begegnen, in die Sackgasse führen.
Weil die AFD es schafft die Emotionen von Leuten für politische Zwecke zu instrumentalisieren, ohne selbst jemals etwas konstruktives zum politischen Diskurs beizutragen.
Auch wenn es neben dem ganzen Opportunismus und Populismus der AfD untergeht: Sie ist die einzige Partei mit Macht in Griffreichweite, die sich gegen permanentes Bevölkerungswachstum einsetzt.
Wer ökologisch wählen möchte, bekommt von der AfD ein politisches Angebot.
Wer ökologisch wählen möchte, bekommt von der AfD ein politisches Angebot.
Das Angebot lautet: "Wir möchten dass nicht-weiße, nicht-heterosexuelle Menschen häufiger früher sterben oder das Land verlassen, um die ökologischen Vorteile dann durch mehr industrielle Verschmutzung zu ersetzen."
Nicht wirklich. Keine Zuwanderung würde dafür sorgen, dass die Deutsche Bevölkerung abnimmt. Global hätte das keine Auswirkungen und wäre demnach zumindest für das wichtigste ökologische Problem - den Klimawandel - irrelevant.
Die etablierten Parteien tragen genausoviel "konstruktives" bei wenn es darum geht die Probleme von morgen anzugehen wie die AfD. Massenmord an EU-Außengrenzen ist so oder so konsens.
Was mich bei den Demokratieverdrossenen immer ein bisschen verwirrt, ist, wieso sie glauben, dass die ihnen missfallenden Umstände ausgerechnet von einer Rechtsaussen-Partei gelöst werden könnten.
Ich kann Demokratieverdrossenheit bis zu einem Punkt sogar verstehen - Politik ist ein Sumpf, es wird viel geschwafelt und wenig gehandelt, und wenn gehandelt wird, kommt oft nur halbgares raus (um es wirklich mal ganz profan und simplistisch auszudrücken - natürlich ist die Realität wesentlich komplexer). Aber dann aus Protest bei AfD und Co. das Kreuz machen hilft auch nichts - die stellt nämlich für den spätkapitalistischen Status Quo, der ja oft die Hauptursache dieser Missstände ist, keine Bedrohung dar (dafür aber für Minderheiten und jegliche progressiven Errungenschaften der letzten 50 Jahre). Wer will, dass sich die 'bürgerlichen' Parteien mal so richtig ins Hemd machen, der muss links wählen, dann werden sich diese Parteien nämlich Gedanken machen, wie sie diese Wähler zurückbekommen. Die 'bürgerliche Mitte' stand dem rechten Spektrum schon immer näher als dem linken.
Wer will, dass sich die ‘bürgerlichen’ Parteien mal so richtig ins Hemd machen, der muss links wählen
Genau hier liegt aber der Hund begraben: wo ist denn die linke Partei, die diese Leute gezielt anspricht und ihnen eine ernsthafte Perspektive bietet ohne sich in internen Grabenkämpfen selbst zu zerfleischen oder sich in Nebenschauplätzen zu verlieren?
Ich bin der Meinung dass der Erfolg der extremen Rechten auch sehr viel mit der Schwäche der linken Partei(en) zu tun hat.
Nun ja, von einer linken Partei wird eine gewisse Kompetenz erwartet, die bei rechten eben nicht erwartet wird. Hier wird gern mit zweierlei Maß gemessen. Eine rechte Partei kann sich in internen Rangeleien verlieren und totalen Kompetenzmangel aufweisen und wird trotzdem gewählt, während das bei einer linken Partei eben zu Kritik von allen Seiten führt.
Ob der Erfolg der rechtsextremen mit der Schwäche der Linken kausal verbunden ist, weiß ich jetzt nicht so genau. Überzeugte Linkswähler schauen sich das Theater an, knirschen mangels Alternativen mit den Zähnen, aber wählen deshalb nicht gleich AfD, weil die Alleinstellungsmerkmale der letzteren nun mal jeglichen linken Prinzipien widersprechen.
Die 'bürgerliche Mitte' stand dem rechten Spektrum schon immer näher als dem linken.
›Mitte‹ in ›bürgerliche Mitte‹ ist orthogonal zur politischen Mitte. Sie bezeichnet eigentlich die ökonomische Mitte, ist also kein Euphemismus für »politisch rechts, aber zu feige, das zuzugeben«.
Das erinnert mich an Kinder, die gerade in die Pubertät kommen, das reale Leben zu spüren bekommen und gleichzeitig keine Verantwortung übernehmen wollen.
Als erzieherische Maßnahmen fällt mir außer Privilegien-Entzug und natürliche Konsequenz nichts ein. Bei letzterem sollen aber bitte nur die betroffen sein.
Beheimatung: Warum Menschen wirklich die rechtsextreme AfD wählen
Gastbeitrag von Dr. Daniel Mullis
Zusammenfassung:
Verunsicherung und Unruhe sind die Folgen der Krisen der letzten fünfzehn Jahre. Viele Menschen suchen nach Stabilität und finden diese in einer idealisierten Vergangenheit, die die AfD mit ihrem Slogan "Deutschland. Aber normal!" politisiert. Die Partei bietet eine emotionale Heimat und bindet Menschen über politische Grenzen hinweg an sich. Die AfD nutzt die Sehnsucht nach einer homogeneren, klareren Vergangenheit und verspricht eine Rückkehr zu dieser "Normalität".
Die Globalisierung und Digitalisierung haben zu einem Gefühl der Entfremdung geführt, und viele Menschen fühlen sich von der rasanten Veränderung überfordert. Die AfD nutzt diese Ängste und bietet eine Identität, die auf Exklusivität, Homogenität und Nationalismus basiert.
Die Partei spricht Menschen an, die sich von der aktuellen Politik und Gesellschaft entfremdet fühlen. Sie bietet eine einfache Lösung in Form einer Rückkehr zu einer idealisierten Vergangenheit. Dieses Angebot zieht Menschen aus verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Hintergründen an.
Um mit Anhängern der AfD zu sprechen und sie zu verstehen, ist es wichtig, ihre Ängste und Sorgen ernst zu nehmen. Es ist jedoch auch wichtig, klare Grenzen zu ziehen und rechtsextreme Ideologien nicht zu legitimieren. Es braucht einen solidarischen gesellschaftlichen Gegenentwurf, der eine Zukunftsperspektive bietet und Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederherstellt.
Einige Gedanken und Fragen:
Wie können Gesellschaften den Herausforderungen der Globalisierung und Digitalisierung begegnen, ohne dass sich Menschen entfremdet fühlen?
Wie können demokratische Parteien eine emotionale Heimat bieten, die nicht auf Exklusivität und Rückwärtsgewandtheit basiert?
Wie können Gesellschaften sicherstellen, dass alle Bürger sich gehört und repräsentiert fühlen, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung?
Um mit Anhängern der AfD zu sprechen und sie zu verstehen, ist es wichtig, ihre Ängste und Sorgen ernst zu nehmen.
Das ist schwierig, weil diese Ängste und Sorgen oft nicht in der Realität basieren, sondern ein Ergebnis systematischer Hetzerei und Angstmache sind.
Wie können Gesellschaften sicherstellen, dass alle Bürger sich gehört und repräsentiert fühlen, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung?
Auch das ist schwierig. Z.B. ist es oft so, dass, wenn Minderheiten gleiche Rechte bkommen sollen, sich Menschen davon bedroht fühlen und Angst haben, dass ihnen selbst Rechte entzogen werden, auch wenn das gar nicht so ist. Ich habe auch in verschiedenen Foren Wortmeldungen gelesen, die sich darüber beklagten, dass 'konservative Wertvorstellungen' zurückgedrängt würden. Das ist zum einen faktisch falsch, es hindert sie ja keiner daran, nach diesen Werten zu leben. Zum anderen ist es ja auch so, dass historisch viele Menschen unter diesen Werten leiden mussten (womit wir bei der idealisierten Vergangenheit wären). Das ist diesen Leuten aber entweder nicht bewusst, oder sie verdrängen es absichtlich. Es soll ein selbstinklusives Bild des 'Normalen' geschaffen werden, in das aber auch nur passt, was einem selbst gefällt.
Mit faktischer Diskussion kommt man dem nicht bei, denn diese Reaktionen und Ängste sind nicht faktenbasiert, sondern emotional.