Ob Medizin, Physik oder Klimaforschung - nie war der Wissensstand der Welt so gut wie heute. Dennoch leugnen einige Menschen wissenschaftliche Erkenntnisse. Welche Motive stecken dahinter - und wie lässt sich das ändern? Von A. Steininger.
Die Erde ist eine Kugel. Menschen und Affen haben einen gemeinsamen Vorfahren und teilen mehr als 90 Prozent ihrer DNA. Die Erde erwärmt sich, und menschliche Aktivität ist die Hauptursache dafür.
Alle diese Aussagen haben eines gemeinsam: Sie gelten als wissenschaftlicher Konsens, als gesicherte Erkenntnis - und dennoch erkennt ein nennenswerter Teil der Menschen das nicht an. So glaubt laut einer Umfrage vom März knapp ein Viertel aller Deutschen nicht an den menschengemachten Klimawandel. Kreationisten vor allem in den USA sind überzeugt, dass Gott den Menschen, so wie er ist, geschaffen hat. Und selbst dass die Erde eine Scheibe ist, wird von einigen Menschen als wahr angenommen. Warum glauben viele Menschen nicht der wissenschaftlichen Evidenz?
Wissenschaft ist halt nicht wirklich zugänglich, wenn ich mir ein eigenes Bild machen will. Ich kann meine "Fragen" zwar an Google Scholar oder andere Portale stellen, muss die Antwort aber dann eigentlich selbst zusammensuchen aus mehreren Quellen.
Den Aufwand macht sich halt ein Otto Normalbürfer nicht, stattdessen reicht es wenn eine Zeitung/Online-Magazin auf eine einzelne Studie zeigt und diese dann aufbauscht bis ins Nirvana. Schon oft gab es ja Schlagzeilen die sich auf Studien beriefen, bei genauerer Betrachtung war dann jedoch die Studie nicht so schlagkräftig, wie zuerst behauptet.
Ich würde mir mehr Wissenschaftskommunikation und Diskurs wünschen - ich glaube nur so wird man Wissenschaftsleugner los...
auf eine einzelne Studie zeigt und diese dann aufbauscht bis ins Nirvana.
Das ist auf jeden Fall ein großes Problem, grade bei kleinen Studien sieht man das häufig, obwohl ja eigentlich der Grundsatz "eine Studie macht noch keinen Sommer" gelten sollte. Das führt dann natürlich auch dazu, dass bei einigen ein Gefühl aufkommt, dass sich "die Wissenschaft" eh immer widerspricht und nichts in Stein gemeißelt ist. Grade zu letzterem ist mir schon öfter mal zu Ohren gekommen, dass die Leute glauben, dass z.B. die Physik die sie in der Schule lernen würden falsch sei, da die Quantenmechanik der Newton-Mechanik widerspreche. Also vielen scheint gar nicht bewusst zu sein, dass neue Theorien die experimentell gehärteten Aussagen von voran gegangenen Theorien in den Wissenschaften einschließen müssen und diese Ausbauen.
Das wird im Artikel nur teilweise angeschnitten, aber ich denke ein großer Punkt ist institutionelles Vertrauen, also der Glaube daran, dass die Institutionen die maßgeblich dein Leben beeinflussen es gut mit dir wollen. Jeder der z.B. eine chronische Krankheit hat und sich im Gesundheitswesen zurechtfinden muss weiß selber, wie schnell dieses Vertrauen verspielt werden kann. Und dann wird die Subversion, also der Kampf gegen die Institutionen eben identitätsstiftend.
Das ist natürlich auch ein wichtiger Punkt! Wenn sich Menschen in der Maschine des Jobcenters / Sozialamtes befinden, dann erleben sie den Staat häufig als feindlich und gegen sie gerichtet. Das geht wie von dir beschrieben ja schon bei den Krankenkassen los, wo man viele Dinge die einem qua Gesetzt zustehen trotzdem erst über ein Widerspruchsverfahren erstreiten muss. Dies passiert auch noch in einer Situation, wo sie staatliche Institutionen eigentlich am dringendsten Brauchen. Das man dann anfängt alles abzulehnen, was nach Staat "riecht" ist eigentlich naheliegend, auch wenn Forschende selber nicht zum Staat gehören, kann es wahrscheinlich von außen so aussehen.
Corona hat gezeigt, dass da sicher auch die Akzeptanz von Homoeopathie und anderen alternativen "Heilverfahren" einen grossen Anteil daran hat. Wenn Aerzte und Apotheken fuer diesen Schwurbel werben und die Krankenkasse sogar die Kosten uebernimmt, obwohl es keinerlei Nachweis fuer die Wirksamkeit gibt ist es ja verstaendlich, dass das Bild entsteht, dass die Behauptung irgendwelcher Schwurbler und echte wissenschaftliche Forschung gleichwertig sind und man sich aussuchen kann, wem man glauben will.
Vom Mistrauen in die medizinische Forschung ist es dann natuerlich nicht mehr weit, der Wissenschaft allgmein nicht zu trauen.
Gerade Covid hat aber auch die Schwächen der Wissenschaft und vorallem der Wissenschaftskommunikation aufgezeigt. Wenn man die Fakten dem politischen Willen unterwirft (in beide Richtungen), dann macht man sich angreifbar. Ich erinnere mich noch, wie das RKI erst meinte, Masken seien nicht nötig, als wir in Thailand schon seit Januar welche trugen. Dass man nach dem Sommer 2020 immer noch überall Hände desinfizieren musste, obwohl gesichert war, dass Schmierinfektionen nicht stattfinden, das Trara um die N95-Masken später.
Das alles schafft in der nicht-informierten Gesellschaft für Unsicherheit, später zu Resignation oder Trotzreaktion.
Das ist sicher nicht der einzige Faktor, aber mMn haben die Medien da viel Vertrauen verspielt.
Es wurde zu oft "Die Wissenschaft sagt" als Autoritätsargument missbraucht, wenn es nur ein-zwei schwache Studien gab (und vielleicht sogar etwaige Studien mit konträrem Ergebnis ignoriert wurden).
Das gilt jetzt weniger für Themen aus der Physik, Mathematik oder Chemie, wie eben den Klimawandel, als für Themen aus den Sozialwissenschaften.
Aber das läuft ja alles als "die Wissenschaft sagt" und die Einordnung welche Konfidenz in die Ergebnisse etwaiger Studien besteht wird ja meist weggelassen - das verkauft sich schlechter oder würde das eigene Argument schwächen. Dadurch sinkt dann auch das Vertrauen in die Wissenschaft als ganzes.
Dazu kommt noch, dass mit wissenschaftlichen Studien auch viel Schabernack getrieben werden kann, der für den Laien kaum erkennbar ist. Wenn Wirtschaft und Politik sich zu jeder Behauptung eine passende Studie kaufen können (und die seltene unpassende Studie unterdrückt wird), dann sinkt natürlich auch das Vertrauen n solche Studien.
Medizin in Physik in einem Satz im Bezug auf Fortschritt in der Forschung zu erwähnen ist m.M.n. schon ein Fehler. Die Medizin steckt trotz großer Fortschritte noch in den Kinderschuhen und hat zusätzlich ein riesiges Problem: so ziemlich jeder angehende Arzt möchte auch einen Dr. med. haben. Die wissenschaftliche Qualität der durchschnittlichen Dissertation in dem Feld ist unterirdisch. Häufig wird sie in einem Semester nebenher geschrieben. Daraus werden dann schnell unpräzise Folgerungen gezogen, es muss ja schließlich eine Erkenntnis her. Ein Bärendienst für die Wissenschaft. Zur Verteidigung: es ist auch nicht einfach eine medizinische Studie mit signifikanter Aussagekraft anzufertigen. Es fehlt an Daten und Versuchsobjekten. Es handelt sich schließlich um Menschen, nicht um Atome oder Moleküle die ich in beliebiger Anzahl verfeuern kann..
Vielleicht wäre es an der Zeit den Dr. med. umzustrukturieren, mit Wissenschaft hat der nämlich leider häufig nicht mehr viel zu tun.
Kenne in meinem Bekanntenkreis leider ziemlich viele, die nicht zu einem Arzt ohne Dr.-Titel gehen würden, viele Menschen meinen sogar, Ärzte ohne Dr. wäre gar nicht möglich. Und genau aus diesem Grund wirds wohl gemacht und wird sich wahrscheinlich auch nichts ändern.
Ich denke gezielte Desinformation und Lobbyismus sind die Hauptgründe.
Viele Menschen sind aber einfach von Natur aus neugierig nach Wissen und um Wissenschaftler zu sein, muss man jetzt nicht gleich ein Professor werden. Wohl schon, wenn Du offiziell forschen und Studien herausbringen willst, natürlich. Ich habe in meiner Jugendzeit, wie auch soviele andere Desinformation aufgesaugt, wie etwa, dass Zucker dich in der Schule besser macht oder dass Calgon deine Waschmaschine länger leben lässt. Trotzdem habe ich mich in einen kuriosen Nachforscher entwickelt und kann Desinformation schon aus elf Metern Entfernung riechen.
Auf der anderen Seite wirst du aber auch immer einen Teil der Bevölkerung vorfinden, der sich alles durch "Magisches Denken" erklärt und offizielles Wissen gerne ignoriert, seien es nun Monotheistische Entitäten, Ufos oder Rokko, der Basilisk und Saufkumpel aus der Zukunft.
Aus meiner persönlichen Erfahrung würde ich sagen das die Schule und wie die wissenschaftliche Methode beigebracht wird (fast gar nicht) eine große Rolle spielen, zusammen mit nebulöser und sensationeller Berichterstattung. Wenn man sich die Zeit nimmt, den gegenüber ernst nimmt und versucht zu erklären wie Wissenschaft zu den Erkenntnissen kommt und was es von anderen Methoden unterscheidet und erfolgreich macht - dann entsteht gleich viel mehr Vertrauen.
Ein Aspekt, der in solchen Betrachtungen immer vernachlässigt wird, ist meiner Meinung nach auch die Verantwortung der Wissenschaft selbst. Die unzureichende Auseinandersetzung mit p-Hacking und Datenfälschung untergräbt auch mein eigenes Vertrauen in Primärquellen.
Ich würde fast so weit gehen zu behaupten, dass Studien ohne prepublication nicht mehr modernen wissenschaftlichen Standards entsprechen. Ist leider immer noch nicht der Standard.
Des Problem ist halt das man eigentlich Wissenschaftlern oder wissenschaftlichen Studien wirklich nicht trauen kann, zumindest nicht blind!
Wissenschaftler haben halt auch ihre eigene Meinung haben und sind sich oftmals uneinig. Und manchmal sind es sogar gerade die hochkarätigen Wissenschaftler die Sachen aus dem allgemeinen Konsens ihres Gebietes anzweifeln.
Zum Teil liegt das auch daran das viele Wissenschaftler für Firmen arbeiten und deren Interessen vertreten, zum anderen entwickelt sich ja der Wissenschaftsstandt immer weiter. Es gibt viele wissenschaftliche Studien, die riesige Fehler haben, bis das aber jemand merkt(wenn überhaupt) kann dauern. Und wenn Forschungsergebnisse/Studien rauskommen gelten sie zumindest in den Medien sofort als Fakt.
Einfach Beispiele sind z.B. Spinat, wo es ewig gedauert hat bis man gemerkt hat das es gar nicht so gesund ist wie gedacht, Dinos wo sich die Darstellung konstant durch neue Erkenntnisse stark verändert (euer geistiges Bild ist wahrscheinlich längst veraltet) oder Kaffee wo gefühlt jedes Jahr ein neue Studie rauskommt die entweder sagt dass der sehr gesund oder sehr schädlich ist.
Bei so ganz ganz allgemeinen Sachen wie im Artikel, ist es vielleicht nochmal was anderes, aber generell müsste man theoretisch immer alles selber nachprüfen, aber wer kann das schon...
Dein Kommentar ist ein gutes Beispiel für meine angebrachte These. Gehen wir darum mal deine Beispiele einzeln von Hinten durch:
Kaffee wo gefühlt jedes Jahr ein neue Studie rauskommt die entweder sagt dass der sehr gesund oder sehr schädlich ist.
Das ist ein gutes Beispiel für den Grundsatz, dass "eine einzelne Studie noch keinen Sommer macht". Abschließende Klarheit würde hier nur eine Metastudie bieten, aber und da hast du recht, Medien nehmen gerne einzelne Studien und schreiben auf Grundlage der Schlüsse einzelner Studien Artikel. Gerne werden diese bei Gesundheitsthemen auch noch verallgemeinert aufgebauscht. Beispielsweise wird aus einem: "Nahrungsmittel A kann in der untersuchten Dosis, aufgrund des enthaltenen Wirkstoffs B förderlich für Organ C sein" ein "Die heilende Superkraft von Nahrungsmittel A - Ärzte hassen diesen Trick!" gemacht.
Dinos wo sich die Darstellung konstant durch neue Erkenntnisse stark verändert (euer geistiges Bild ist wahrscheinlich längst veraltet)
Hier hast du recht, aber unsere Bilder von den Dinos sind, sofern sie aus dem Naturkundemusen stammen und nicht aus Jurassic Park nicht vollständig falsch, sondern nur unvollständig. So besagen neuere Erkenntnisse, dass Saurier wohl gefiedert waren. Dies waren Schlüsse, welche man aus früheren Funden so nicht einwandfrei ziehen konnte. Grundlegendes hat sich aber nicht wirklich geändert.
Einfach Beispiele sind z.B. Spinat, wo es ewig gedauert hat bis man gemerkt hat das es gar nicht so gesund ist wie gedacht
Dies ist wahr. Hierzu sein allerdings angemerkt, dass die Ursprungsbehauptung von 1890 stammt. Dies zeigt das grade Dinge die wir als gesichert annehmen wirklich immer wieder hinterfragt werden müssen. Grade die "Erkenntnisse" aus den frühen Jahren der Psychologie und Biologie sind hier noch häufig durch schlechtes Studiendesign und den Bias der Forschenden getrübt. Darum ist, besonders für diese Felder, die evidenzbasierte Genderwissenschaft so wichtig, da sie althergebrachtes "Wissen" infrage stellt und sich als "Furunkel am Hintern" dieser Felder diese vor sich hertreibt.
Des Interessante am Spinat finde ich und weswegen ich es auch, trotz des Alters, genannt habe ist, dass es gut zeigt das sich auch relativ einfache Falschbehauptungen lange halten können.
Die 1890 fälschlich aufgestellte Behauptung erst ~1940 offiziell widerlegt wurde. Fast 50 Jahre und es wäre (auch damals) nicht mal schwer zu überprüfen/wiederlegen gewesen, man hätte nur den Eisengehalt nochmal messen müssen. Verglichen mit heute war das natürlich viel komplizierter, aber doch sehr machbar. Und im Gedächtnis der Leute hat sich das ja bis in die zweitausender festgesetzt, über hundert Jahre!
Zum Teil liegt das auch daran das viele Wissenschaftler für Firmen arbeiten und deren Interessen vertreten
Das ist zum Teil schon richtig, nur begutachten und bewerten die Firmen nicht deren Arbeit, sondern andere Wissenschaftler. Anders gesagt: wer Wissenschaft betreiben will, der tut dies über Publikationen bei Fachzeitschriften und Konferenzen, wo es, zumindest in meinem Bereich, mindestens ein Peer-Review gibt.
Des Problem ist halt das man eigentlich Wissenschaftlern oder wissenschaftlichen Studien wirklich nicht trauen kann, zumindest nicht blind!
Das Problem ist, dass Wissenschaft keine ewig gültigen Aussagen macht. Dinge sind richtig, wenn Sie nachprüfbar sind, aber nur solange bis es einen Gegenbeweis gibt.
Viele Menschen verstehen diesen Ansatz nicht und erwarten klare unwiderlegbare Aussagen, aber das kann der wissenschaftliche Ansatz nicht liefern. Das ist halt leider der (rhetorische) Vorteil von Religion und diversen Ideologien, da wird klar gesagt so isses und so bleibt es und das mögen Menschen. Obs stimmt oder nicht ist da oft zweitrangig. In der Hinsicht sind Menschen leider noch zu wenig rational.