Die SPD erlebt einen beispiellosen Absturz. In der Partei schwindet zu Beginn des Superwahljahrs die Hoffnung, dass der Kanzler die Lage noch drehen kann. Halten die Genossen an Olaf Scholz fest?
Lustig, wie in der Überschrift, in der Zusammenfassung und auch in der öffentlichen Diskussion immer auf Olaf Scholz und der Kommunikation herumgeritten wird.
Die tatsächlich folgende Analyse der Situation:
Monatelang beteten die Sozialdemokraten ihre Verkaufsschlager herunter - ohne Erfolg. Die Umfragewerte blieben mies. Vielleicht auch, weil bei der SPD deutlich mehr im Argen liegt als bloß die Kommunikation. [...] Viele Deutsche neigen dazu, sich der Mittelschicht zuzuordnen auch wenn sie eigentlich deutlich [...] ärmer sind. Die SPD hingegen macht seit geraumer Zeit Vor allem Politik für die unteren Einkommnesgruppen. SPD-Abgeordnete berichten von Gesprächen in ihren Wahlkreisen, in denen ihnen vorgeworfen wird, sich zu viel um die "Faulen" zu kümmern.
wird dann großzügig und wie üblich ignoriert. Das würde nämlich tatsächliche Diskussion erfordern statt stumpfer Parolen.
Oder in kurz: Der deutsche Depp ist mal wieder zu blöd für die Realität. Die, denen die Politik zu gute kommt, wählen Rechtsradikale. Die, die noch SPD wählen, bilden sich ein für die Mittelschicht über ihnen kämpfen zu müssen und sind schon längst dem Rechtsruck erlegen und wollen von der SPD mehr rechte Politik.
Aber die "unkommunikative SPD" ist dann Schuld, nicht etwa die Wähler... denn letzteres würde Eigenverantwortung und Reflektion vorraussetzen und die tut weh.
"Der Wähler ist schuld" hilft halt niemandem und löst keine Probleme.
Wir können leider keine intelligentere Bevölkerung herzaubern, und alle Lösungsansätze die darauf basieren dass ein Großteil der Menschen sich erst ändern muss laufen ins Leere.
Man könnte den Menschen aber auch mal Zahlen auf den Tisch legen.
Das hieße für die SPD: wenn du weniger als X verdienst, bist du nicht mehr Mittelschicht.
Ich glaube, dass viele Menschen sich keine Vorstellung davon machen, wie arm sie in Relation dann doch sind. Nur als Beispiel: ein Single mit 3500€ netto gehört zur Oberschicht (oberste 10%). Das ist wirklich nicht viel, wenn man sich überlegt, dass 90% der Menschen weniger bekommen. Und trotzdem kann man sich auch mit diesem Gehalt nur mit hohen Krediten und viel sparen eine vernünftige Immobilie kaufen (ask me how I know).
Stimmt das ist schon krass. Ich komm ab diesem Jahr auf 3500 netto, und fühle mich definitiv nicht als Oberschicht.
Eher so als "endlich brauch ich mir mit meinem einfachen Lebensstil keine Sorgen mehr über Altersarmut machen, kann mal Essen gehen und über Kinder nachdenken", also klassische Mittelschicht.
Bisher lag ich unter 2000 netto als Alleinverdiener für 2, und das bedeutet Schimmel in den Wänden, Verzicht auf Auto und "Scheiße, die Spülmaschine ist kaputt, was mach ich jetzt?"
Ich bin eher bei 4k, bin alleine und hab keine teuren Hobbies, aber wirklich verändert hat sich mein Lebensstandard in den letzten 1500€ nicht. Klar, ich könnte mir jetzt cooles Zeugs kaufen, aber das ist eher Spielerei oder Angeben. Gleichzeitig reicht es bei weitem nicht, um sinnvoll was damit anzufangen. Häuser und Wohnungen in einer vernünftigen Größe fangen hier bei 500k an - und auch das nur mit viel Glück und Abstrichen bei der Ausstattung. Wenn man Steuern, Gebühren, Erstausstattung noch mit reinrechnet, sind es locker 600k. Wie soll ich das denn bitte bezahlen? 40 Jahre auf Kante genäht leben?
Du kannst aber in ein wenigen Jahren so viel sparen, dass du zum Beispiel ein Sabbatjahr nehmen kannst. Oder eben ein bisschen investieren (idealerweise in ansatzweise kollektiv positive Anlagen, aber das kann ich dir nicht vorschreiben).
Andersrum gilt das selbe: "Die Politik ist Schuld" von Wählern, die nicht nach den Tatsachen bewerten, sondern nach Gefühl, hilft auch nichts weiter. Weil imaginäre Politik in deren imaginärer Welt kann man nicht ändern oder verbessern.
Darum sollte man auch über beide Seiten reden.
Was aber eben kaum geschieht. Es ist immer die Politik schuld. Haben wir die Artikel vor nicht so langer Zeit, die deutliche eine extreme Diskrepanz zwischen tatsächlicher Politik und deren Wahrnehmung aufzeigten, wirklich schon wieder vergessen?
Hmm. Es ist unglücklich, dass du bei der von dir zitierten Passage mit der Studie von 2021 ausgerechnet das "reicher oder" weglässt, denn es suggeriert so eine viel eindeutigere Aussage. Außerdem steht dieser Abschnitt der im Artikel mehrfach zitierten Unzufriedenheit dies- und jenseits der Partei mit Scholz' Kommunikation und Führung ja nicht entgegen. Er beleuchtet einen Teilaspekt, kann aber nicht die geäußerte Kritik widerlegen. Zumal der Artikel ja auch Genossen zitiert, die es mit Tucholsky sagen:
»Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt vieles richtig.«
Soll heißen: kommt Scholz und mit ihm die SPD nicht bei den Leuten an, sind es nicht die Leute, die letztendlich das Problem haben werden.
Stimmt... ich hab einen Punkt erwähnt, weil der meiner Meinung nach konsequent ignoriert wird.
Klar, im Artikel steht mehr Kritik.
Aber die Struktur "Kommunikationsmängel -> das ist aber sicher nicht Alles -> problematische Selbstidentifikation der Wähler" gibt der Artikel nunmal wirklich so her. Es ist nicht so, als würde ich da extra was rauspicken, um den Inhalt anders darzustellen.
Es sind ja nicht nur Wähler, die die Kommunikationsmängel ankreiden, sondern auch Genossen selbst. Wenn schon externe und interne Gruppen das gleiche Problem bei der Führung sehen, weiß ich nicht, ob es wirklich zielführend ist, die Ursache statt bei der Führung eher bei diesen Gruppen zu suchen. Das hat was von diesem ollen Geisterfahrerwitz mit "Einer? Hunderte!"
Das wollte ich so auch nicht ausgedrückt haben. Die Kommunikation des Bundeskanzlers könnte an vielen Stellen bedeutend besser sein. Die anderer Teile der Regierung auch. Aber dann kommt auch schon das Problem: Da, wo klar kommuniziert wird, kommt auch das nicht bei den Wählern an.
Trotzdem -und das war mein eigentlicher Punkt- wird immer so getan als wäre der eine, einzige, oder zumindest wichtigste Punkt, Olaf Scholz und dessen mangelnde Kommunikation.
Und so herum funktioniert die Argumentation nun einmal auch nicht, wenn man deutlich aufzeigen kann, dass nicht nur tatsächlich vorhandene Kommunikation, sondern sogar die Realität, nicht bei den Leuten ankommt.
Kommunikation ist keine Einbahnstrasse, sondern immer ein Zusammenspiel aus Sender und Empfänger.
Außer in der öffentlichen Diskussion um die deutsche Regierung... da ist der Bürger nur ein unbeteiligtes Opfer mangelnder Kommunikation, egal wie verwirrt er sich selbst zeigt oder wie viel er offensichtlich ignoriert, um zu der Erkenntnis zu kommen.