Immer wieder werden Klimaaktivisten der "Letzten Generation" wegen Nötigung verurteilt. Nun hat ein Berliner Gericht einen anderen Weg eingeschlagen.
Die Begründung des Gerichts für das Urteil: Zum einen sei es den Autofahrern vorab möglich gewesen, auf den öffentlichen Personennahverkehr umzusteigen, da die "Letzte Generation" bekannt gemacht hatte, Straßen in der Hauptstadt blockieren zu wollen. Alternativ hätten die Autofahrer auch mehr Zeit einplanen können.
Zum anderen habe der Verkehr nur etwas länger als eine halbe Stunde gestanden. Dies sei "hinsichtlich der üblichen Stauzeiten" in Berlin noch "moderat". Es habe sich zwar ein Rückstau an der Blockade gebildet. "Dessen Ausmaß sich anhand der Aktenlage nicht feststellen lässt, der Verkehr ist aber nur kurzzeitig zum absoluten Stillstand gekommen", so die Urteilsbegründung. Eine Sprecherin der Berliner Gerichte betonte jedoch, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelte.
Richtiger guter Entscheid. Ich hoffe alle die Aggro-Typen, die die Helden mit Gewalt von der Straße gezerrt haben werden noch richtig saftig abkassiert.
Hmm, muss mal meinen Juristen fragen, aber ich glaube nicht, dass es aufgrund des Urteils plötzlich verboten ist, Demonstranten von der Straße zu tragen. "Keine Nötigung" heißt nicht "erlaubt". Wenn jemand widerrechtlich den Weg versperrt, darf man da schon was machen. Die Frage ist nur "was?". Einen Demonstranten vorsichtig aufzuheben, ein paar Meter zur Seite zu tragen und dann vorsichtig wieder abzusetzen dürfte legal sein. Aber das ist halt nur so einfach, wenn du ein 2m 100kg Bodybuilder bist und der Demonstrant 40kg wiegt und sich nicht festgeklebt hat.
Wenn jemand widerrechtlich [?] den Weg versperrt, darf man da schon was machen. Die Frage ist nur “was?”
Mit der Person reden, oder die Polizei rufen.
Selber Gewalt anwenden oder Schäden billigend in Kauf nehmen ist ziemlich sicher nicht okay. Als dafür nicht ausgebildete und nicht befugte Person genügt es vermutlich nicht, hinterher zu sagen "aber ich war doch vorsichtig".
Alternativ können wir uns auch für die ohnehin sinnvollen Forderungen einsetzen, um solche Aktionen präventiv überflüssig zu machen:
Selber Gewalt anwenden oder Schäden billigend in Kauf nehmen ist ziemlich sicher nicht okay. Als dafür nicht ausgebildete und nicht befugte Person genügt es vermutlich nicht, hinterher zu sagen “aber ich war doch vorsichtig”.
Ich sage nicht, dass es eine gute Idee ist. Ich gehe nur davon aus, dass es legal ist. Das Notwehrrecht in Deutschland geht sehr weit. Wenn man mich fragt zu weit. Es gibt da z.B. (fast) kein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Bei Notstand ist das anders, aber vorsichtiges wegtragen ist halt ein sehr mildes Mittel insofern könnte das trotzdem gehen.
Vermutlich darf man die also wegtragen und wenn (versehentlich) etwas dabei passiert ist es vermutlich auch (edit:) nicht das Problem der Notwehr ausübenden Person. Aber natürlich halte ich nichts davon. Man sollte deeskalieren.
vorsichtiges wegtragen ist halt ein sehr mildes Mittel insofern könnte das trotzdem gehen.
Vermutlich darf man die also wegtragen
Ah krass, wieder was gelernt. Ja stimmt, da geht das Notwehrrecht zu weit, finde ich auch. Auch fraglich, wie richtig diese Einschätzung ist. Na, vermutlich bekommen wir auch ein paar Gerichtsurteile dazu.
Aber, waren diese Handlungen nicht gerechtfertigt und damit straffrei?
Schließlich haben die Blockierer zuerst angefangen. Nicht die blockierten Autofahrer. Man könnte da an Notwehr als Rechtfertigung denken.
Im Notwehrparagraphen § 32 StGB steht, dass man sich gegen einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff wehren darf.
Wichtig ist also, der Angriff muss gegenwärtig und zugleich rechtswidrig sein.
Die Nötigung durch die Blockierer ist ein noch andauernder Angriff auf die Willensfreiheit der Autofahrer. Die Freiheit, den Willen umzusetzen, einfach weiterzufahren. Der Angriff ist also gegenwärtig. Rechtswidrig war dieser Angriff auch, weil das Recht des Autofahrers einfach weiterzufahren, verletzt wurde.
Diese Notwehrlage erlaubt es nun dem Autofahrer eine Verteidigungshandlung, die den Angriff sicher abwehren kann.
Hier gilt aber:
Stehen gleich effektive und mildere Mittel zur Verfügung, so müssen die Milderen genutzt werden.
Ein milderes Mittel wäre z. B. das Einreden auf die Aktivisten, was aber wohl entweder gar nicht funktioniert oder jedenfalls nicht sicher die verübte Nötigung beenden kann. Ein milderes Mittel könnte auch das Warten auf Polizisten und deren Räumung sein. Ob das gleich effektiv ist, auch mit Hinblick auf die damit verbundene zeitliche Verzögerung, ist mehr als fraglich.
Hier gilt aber, der Autofahrer muss sich in solch einer Notwehrlage, nicht auf unsichere Mittel zur Abwehr einlassen. Jetzt muss aber ganz genau zwischen den einzelnen Reaktionen der Autofahrer unterschieden werden:
Wurde die Blockierer „nur“ weggetragen?
Wurden sie weggetragen und fallen gelassen und dabei verletzt?
Ah krass, wieder was gelernt. Ja stimmt, da geht das Notwehrrecht zu weit, finde ich auch. Auch fraglich, wie richtig diese Einschätzung ist. Na, vermutlich bekommen wir auch ein paar Gerichtsurteile dazu.
Ich wünschte das hier wäre der problematischste Teil. Wegtragen gegen Weg versperren ist ja noch irgendwie verständlich. Wenn vorsichtig gemacht ist das eine Nötigung, die eine andere Nötigung beendet. Wie gesagt, in der Praxis ist das nicht so einfach, aber die Theorie verstehe ich.
Was ich schlimm finde ist das hier:
§ 32 StGB setzt anders als der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB keine Güterabwägung voraus. Aus diesem Grund entfällt die Erforderlichkeit der Notwehr nicht, wenn das durch die Ausübung des Notwehrrechts beeinträchtigte Gut des Angreifers einen höheren Stellenwert besitzt als das angegriffene Gut.[56] So muss beispielsweise niemand eine Körper- oder Eigentumsverletzung hinnehmen, falls diese nur durch eine tödliche Abwehrhandlung verhindert werden kann.[57]
Praktisch ist das zum Glück nicht sehr relevant, weil es eigentlich immer nicht-tödliche Alternativen gibt, aber allein die Möglichkeit ist schon heftig. Es gibt noch ein krasses Missverhältnis, aber das Standard-Lehrbeispiel für Fälle, in denen tödliche Gewalt nicht mehr erlaubt ist, ist: 5-jähriges Kind klaut einen Apfel. Ab ein paar hundert Euro und einem zurechnungsfähigen Täter darf man die wohl nutzen. Wie gesagt, theoretisch, praktisch ist "Kopfschuss" nie die einzige Möglichkeit den Diebstahl zu verhindern (man kann mit Waffen drohen etc), aber im Prinzip haben wir in Deutschland ein Stand-Your-Ground-Law wie in Florida.
Ja. Aber dabei geht es natürlich nur um die Blockaden der Letzten Generation, nicht um Straßenblockaden allgemein. Die Letzte Generation hat ja ein Thema, bei dem die Politik objektiv betrachtet zu wenig tut. Deshalb kann sie möglicherweise Dinge machen, die für andere Gruppierungen nicht erlaubt wären.
Aber die Unsicherheit ist auch einer von vielen Gründen warum ich da keinesfalls selbst aktiv werden würde.