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Karl Lauterbach will Homöopathie als Kassenleistung streichen (Spiegel+)

www.spiegel.de (S+) Karl Lauterbach will Homöopathie als Kassenleistung streichen

Bei der gesetzlichen Krankenversicherung klafft eine enorme Finanzierungslücke. Nun macht Gesundheitsminister Lauterbach Sparvorschläge. Einer davon ist besonders brisant.

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  • Lauterbach will Homöopathie als Kassenleistung streichen

    Bei der gesetzlichen Krankenversicherung klafft eine enorme Finanzierungslücke. Nun macht Gesundheitsminister Lauterbach Sparvorschläge. Einer davon ist besonders brisant. gespart werden kann: Krankenkassen sollen ihren Versicherten etwa nicht länger homöopathische Leistungen finanzieren.

    Seit der Coronapandemie fehlen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) jährlich Milliardenbeträge. In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung dieses Minus mit Steuermitteln ausgeglichen. Für 2024 ist das nicht vorgesehen – das liegt auch an der klammen Haushaltslage. Gerade hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen mitgeteilt, dass die Finanzierungslücke für 2024 bei 3,2 Milliarden Euro liegt – niedriger als erwartet.

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat nun anderen Ministerien dargelegt, wo bei der GKV gespart werden kann: Krankenkassen sollen ihren Versicherten etwa nicht länger homöopathische Leistungen finanzieren.

    »Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden«, heißt es in dem Empfehlungspapier, das Lauterbach nun verschickt hat. Es liegt dem SPIEGEL vor. »Aus diesem Grund werden wir die Möglichkeit der Krankenkassen, in der Satzung auch homöopathische und anthroposophische Leistungen vorzusehen, streichen und damit unnötige Ausgaben der Krankenkassen vermeiden.« Zusatzversicherungen sollen aber weiter möglich sein.

    Schon im vergangenen Jahr hatte Lauterbach angekündigt, diese Option zu prüfen. Allerdings würden durch die Maßnahme höchstens zehn Millionen Euro eingespart, vergleichsweise wenig: Nicht alle Kassen machen von der Möglichkeit, Homöopathie zu erstatten, Gebrauch, nicht alle Versicherten haben daran Interesse.

    Lange war das Thema umstritten, inzwischen stehen sogar die Grünen hinter diesem Vorstoß. Laut einem Parteitagsbeschluss von 2020 sollen nur noch Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, »die medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und deren Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen ist«.

    Sparvorschläge, garniert mit viel Eigenlob

    Sparen will Lauterbach auch bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen. 2024 sollen demnach die Bildung von Altersrückstellungen für Versorgungszusagen gegenüber den Beschäftigten der Kassen beschränkt werden, »die über das notwendige, durch versicherungsmathematische Gutachten bestätigte, Niveau hinausgehen.«

    Damit bleibt Lauterbach im Kern bei seinem Plan, keine Leistungen der Versicherungen zu kürzen. Zuletzt hatte er etwa einen Vorschlag, die GKV solle etwa Zahnbehandlungen nicht länger finanzieren, zurückgewiesen.

    Ansonsten steckt in dem Papier viel Eigenlob. Etwa für die geplante Krankenhausreform, die Doppelstrukturen reduzieren und Versorgung konzentrieren soll. Oder durch das Digitalgesetz, das zu einer »verbesserten und kosteneffizienteren Gesundheitsversorgung in Deutschland« beitragen werde. Eine bessere Früherkennung von Krankheiten soll Behandlungskosten senken. Zudem sorge die Prävention durch die geplanten Gesundheitskioske langfristig für eine Entlastung der Kassen. Von den Kiosken ist allerdings bei Weitem nicht jeder angetan.

    »Das deutsche Gesundheitssystem ist das teuerste in der EU und ist in den letzten Jahren nicht ausreichend reformiert worden. Daher sind viele Abläufe bürokratisch, nicht ausreichend effizient und es fehlt an einer ausreichenden Digitalisierung«, sagt Lauterbach dem SPIEGEL. »Weitere deutliche Anstiege der Beitragssätze der Krankenkassen können nur durch echte Strukturreformen vermieden werden«, meint er. »Dazu zählen auch eine bessere Förderung der Vorbeugemedizin, mehr ambulantes Erbringen von stationären Leistungen und eine bessere sektorübergreifende Versorgung.« Alles prima also?

    GKV fehlt kurzfristige Entlastung

    Nicht ganz. Das Problem ist, dass die GKV von notwendigen, aber eben langfristigen Entlastungen akut wenig profitiert. Stattdessen kosten die genannten Maßnahmen sogar erst einmal Geld. So stockt etwa das sogenannte Versorgungsgesetz unter anderem wegen der Kosten der Gesundheitskioske, die Gegner als zu hoch einstufen. Auch die Krankenhausreform wird einiges an Transformationskosten verursachen – und sie kommt nicht vom Fleck, es gibt Widerstand aus den Ländern.

    So kann Lauterbachs Vorschlag kaum darüber hinwegtäuschen, dass die Ampel ihren Koalitionsvertrag nicht umsetzt. Von einer strukturellen Reform der GKV-Finanzierung, wie ursprünglich angepeilt, ist aktuell nicht mehr die Rede. Und der Gesundheitsminister kann offenbar wenig dagegen tun. »Angesichts der angespannten Haushaltslage des Bundes und der Vorgaben der Schuldenbremse konnten diese Maßnahmen jedoch bisher nicht umgesetzt werden«, gesteht das Ministerium in dem Schreiben ein. »Anders als 2022 mit 14 Milliarden Euro sowie 2023 mit drei Milliarden Euro sind bisher keine weiteren zusätzlichen Bundesmittel an die gesetzliche Krankenversicherung vorgesehen.«

    So bleibt dem Minister bloß die Hoffnung. Die »Maßnahmen des Koalitionsvertrages sollten daher umgesetzt werden, sobald es im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen zulassen«, formuliert das Ministerium. Wann und ob das passieren wird, kann wohl kaum jemand beantworten.

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